Stressgesicht – die Hautkrankheit der Seele

Stressgesicht – die Hautkrankheit der Seele

„Du hast ja ein echtes Stressgesicht!” Mit dieser besorgten Begrüßung sah sich unsere Blog-Kollegin Maike bei ihrer Kosmetikerin konfrontiert. Nicht unbedingt der Satz, den man in der Mittagspause hören möchte. Vor allem nicht, wenn man sich eigentlich ganz erholt fühlt und sich nur mal kurz eine Pflegebehandlung gönnen will. Doch Maike war nicht beleidigt – sie war interessiert. Sie hatte schon Krähenfüße bekämpft, trockene Haut bewältigt und Mitesser nach Haus geschickt (versteht man ihren Humor?). „Erklär’ mir mal, was genau ein Stressgesicht sein soll.” Maike hat diese Geschichte für uns aufgeschrieben:

  

Wenn das Leben dauerhaft überfordert

„Das klingt erstmal viel schlimmer, als es gemeint ist”, sagt Agyness (ja, so heißt meine Kosmetikerin wirklich) mit glockenheller Stimme. Und stellt sofort klar, dass das natürlich nichts mit dem Gesicht eines Hundes zu tun hat. Besitzer von bellfreudigen Vierbeinern werden den Ausdruck nämlich längst kennen. „Aber dennoch ist das Prinzip das gleiche: Wenn es einem nicht gut geht – vielleicht schon über einen längeren Zeitraum – zeichnet sich das im Gesicht ab.” Beim Menschen heißt das: Wenn das Leben überfordert, dann sind Pickel, Falten oder Rötungen eine normale Konsequenz. Ich denke mir noch, dass ich eigentlich gar nicht klagen will, da höre ich schon „mach Dir jetzt keinen Kopf. Du wirst strahlen, wenn wir hier fertig sind. Das ist das Wichtige.” Und tatsächlich geht es mir nach 45 Minuten besser – doch das von Agyness erwähnte Stressgesicht geht mir nicht aus dem Kopf. Ich will mehr wissen.

 

Wenn der Haut der Sauerstoff ausgeht

 Zurück im Büro mache ich mich an die Arbeit und erkenne sehr schnell, dass das Thema relevant ist – weil ein Zeichen der Zeit. Die wenigsten von uns haben Glück und Zufriedenheit im Abo; die meisten tragen kleine und große Lasten mit sich herum. Probleme in der Beziehung, Sorgen um die Gesundheit, zu viel Arbeit oder Leistungsdruck, Schulden, Lärm, schlechter Schlaf. Grundsätzlich gilt … all das bildet sich in unseren Gesichtern ab. Der Grund ist schnell genannt: Wenn wir in Krisensituationen stecken schaltet der Körper auf Flucht- oder Verteidigungsmodus. Als Konsequenz wird die Blut- und Sauerstoffversorgung teilweise umgeleitet. Manche Bereiche bekommen dann mehr, viele weniger. Negativ betroffen ist vor allem die Haut – das größte Organ unseres Körpers. Kurzfristig merken wir nur, dass uns häufig kühler ist. Längerfristig blickt uns im Spiegel irgendwann das … genau … Stressgesicht entgegen. Aufgrund des Mangels können Freie Radikale und schädigende Oxidantien dem Gewebe sichtbaren Schaden zufügen.

  

Jucken und Rotflächen als Warnsignale 

Aber mal von Anfang an: Es gibt kurzfristige Probleme. Eine schlaflose Nacht zum Beispiel. Sie lässt die Haut bereits grau und blass erscheinen. Möglicherweise zeigen sich erste Schuppen, weil die fehlende Ruhephase auch die körpereigene Feuchtigkeitszufuhr in Mitleidenschaft gezogen hat. Das ist dann ein kleiner Hilferuf. Ungefährlich hingegen sind die sogenannten „hektischen Flecken” – also rote Flächen im Gesicht oder am Hals. Sie bleiben meist nur eine kurze Zeit erhalten – wenn der Stress abgeklungen ist, verschwinden sie wieder. Wird aus einem kurzen Belastungshoch allerdings eine langfristige Beanspruchung, dann bilden sich bald Unreinheiten. Die Haut beginnt zu jucken, Rotflächen verschwinden nicht mehr. Das sind Warnsignale, die man nicht mehr übersehen darf.

 

Stresshormone schwächen die Hautbarriere

Die nächste Eskalationsstufe bringt schon ernsthafte Konsequenzen mit sich: Ändert sich nichts an der Lebenssituation, verschlechtert sich häufig auch der Zustand. Ausschläge, Entzündungen bis hin zu Neurodermitis oder Nesselsucht – all das ist möglich, wenn die innere Balance nicht mehr hergestellt werden kann und die Abwehrkräfte des Körpers verbraucht sind. Adrenalin und Cortisol, die evolutionären Hormonreaktionen auf Gefahrensituation, überschwemmen das Blut und bleiben auf Höchst-Level. Die natürliche Barriere-Funktion der Haut wird von diesen Hormonen geschwächt – der perfekte Nährboden für Gewebserkrankungen entsteht. Zusätzlich wird die Erneuerung der Zellen gebremst. Die Regeneration der Haut kommt ins Stocken. Ich glaube, langsam ist klar, was mit einem Stressgesicht gemeint ist.

 

Die Angst vor sozialer Ablehnung 

Ich gehe aber noch einen Schritt weiter. Es gibt auch eine Wechselwirkung. Die innere Dysbalance, die ihren Ausdruck auf der Haut zeigt, wird durch die sichtbaren Probleme noch befeuert. Wer will schon ein gestörtes Gewebe in der Öffentlichkeit zeigen. Dann beginnt häufig die Scham und damit die Sorge vor sozialer Ablehnung. Dieser Druck – das ist wohl jedem klar – wird den Stress wiederum vergrößern und somit die Chance auf eine schnelle Heilung unmöglich machen. Ein Teufelskreis. Übrigens einer, der zuletzt immer häufiger Psychologen beschäftigt. Jeder fünfte Besuch beim Therapeuten, so sagen es aktuelle Statistiken, ist durch Hautkrankheiten bedingt.

 

Einfach mal einen Gang runterschalten

Auch wenn ich seit vielen Jahren über Hautpflege schreibe und sagen würde, ich habe in dieser Zeit viel gelernt, wird allein durch diesen Artikel offensichtlich, dass das Thema „Stressgesicht” neu für mich ist. Zumindest in letzter Konsequenz. Dass man mal einen Gang runterschalten sollte, dass die Haut der Spiegel der Seele ist, das war mir zwar klar. Doch wie gravierend die Auswirkungen des modernen Lifestyles mit all seinen Zumutungen ist… puh… das hat mich zum Nachdenken gebracht. Natürlich helfen Cremes, Masken und Seren. Doch sie behandeln nur die Auswirkungen. Die Ursache kurieren sie aber nicht.